Die Fähigkeit, komplexe und länderübergreifende Mandate zu führen, steht für internationale Kanzleien im Vordergrund. Um die rechtlichen und funktionalen Herausforderungen einer vollständigen Fusion (one firm) zu umgehen, scheinen sich jüngst internationale Grosskanzleien für den Verein als Dachorganisation zu entscheiden. Von den zehn grössten Anwaltskanzleien der Welt konstituieren sich deren sechs als Verein nach Schweizer Recht.

Eine global tätige Anwaltskanzlei, unter Umständen bestehend aus Dutzenden von Ländergesellschaften, erfordert eine flexible Organisation in Bezug auf ihre Organe, auf deren Ausgestaltung, wie auch auf die Kompetenzverteilung zwischen ihnen. Gleichzeitig will man verhindern, dass Partner grenzüberschreitend für Fehler von Kollegen in anderen Ländern haften. Internationale Kanzleien trachten danach, das Entstehen einer grenzüberschreitenden Haftungsgemeinschaft zu vermeiden. Das fehlende Rechtsverhältnis zwischen den Mitgliedern ermöglicht die freie Mandatsführung der Ländergesellschaften, welche ausschliesslich der jeweiligen nationalen Vorschriften unterliegen. All diesen Anforderungen wird der Verein aufgrund seiner gesetzlich liberalen Ordnung gerecht.

Entscheidend dabei ist, dass der Verein als Dachorganisation lediglich als organisatorisches Gerüst und als Instrument dient, um die Unternehmensführung im Verein und die Pflege des “Kanzlei-Brand” einheitlich zu organisieren. Um die Gefahr eines gesetzlich unzulässigen “wirtschaftlichen Zwecks” nach Schweizer Vereinsrecht zu umgehen, darf die Unternehmenstätigkeit zwingend nur durch die Mitgliedsgesellschaften selber erfolgen, nicht durch den Verein. Entsprechen die Vereinsstatuten diesen Vorgaben, erfüllt der Verein die Anforderungen an dessen Zulässigkeit. Indem in der als Verein verfassten Dachorganisation kein wirtschaftlicher Vorteil in Geld oder in natura erzielt wird, verfolgt er keinen wirtschaftlichen Zweck im Sinne des Gesetzes.

Obschon der Verein aus mehreren, rechtlich und finanziell unabhängigen Partnerschaften besteht, kann er im Markt gleichwohl unter einem Namen auftreten. Ein gemeinsames Branding und ein homogener Auftritt im Markt signalisieren potenziellen Mandanten das Lösen von länderübergreifenden Problemen.

Um die Gefahr eines unzulässigen Zwecks zu minimieren, darf der Verein als Dachorganisation weder operativ tätig sein, noch direkten Kontakt mit Mandanten pflegen. Die Schwierigkeit in der Praxis besteht darin, die Governance im Verein so auszugestalten, dass die Länderorganisationen nach einheitlichen Kriterien geführt werden, der Verein sich aber auf Führungsimpulse beschränkt und nicht direkt in das operative Management der Länderorganisationen eingreift. Zentral für die Länderorganisationen erbrachte Dienstleistungen sind möglich. Solche Dienstleistungen etwa im Dachmarketing, aber auch im Controlling oder in der Informatik, im Prozessdesign oder in der Weiterbildung der Kanzleiangehörigen sind geradezu Bedingung dafür, dass der Kanzlei ein einheitlicher Marktauftritt auf der internationalen Bühne gelingt.

Ein Einblick in die Ausgestaltung der Statuten einer als Verein organisierten Grosskanzlei ist online auf der Seite des Handelsregisteramt des Kantons Zürich möglich. Die Statuten der Kanzlei Dentons können dort kostenlos bestellt werden. Einfach unter folgendem Link den kleinen blauen Ordner bei der Referenznummer 22 anwählen und die aktuellsten Statuten bequem per Mail erhalten. Reinschauen lohnt sich!

 

Dieser Artikel ist eine kurze Zusammenfassung meines Textes «Die grössten Kanzleien der Welt – Schweizer Vereine», welcher im soeben erschienen Sammelband «Beiträge zu aktuellen Themen an der Schnittstelle zwischen Recht und Betriebswirtschaft V», publiziert wurde.

Über die Autorin / den Autor

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Executive School of Management, Technology and Law

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