In einem früheren Artikel wies ich bereits auf drei «must have» Skills für Anwält*innen hin: nicht juristisches Wissen, Managementkenntnisse und beziehungsrelevante Kompetenzen. Ich möchte hier die kombinierte Anforderung nach Sach-, Sozial- und Selbstkompetenzen anhand von vier kürzlichen Umfragen vertiefen.

Ein Blick auf vier Studien

Die Zukunft der Arbeit wird gemäss einer Studie durch folgende Trends bestimmt: Nachhaltigkeit in der Umwelt, Urbanisierung, zunehmende Ungleichheiten und politischen Ungewissheiten, technologischer Wandel, Globalisierung und demografische Veränderung. Anhand von 120 berufsbezogenen Merkmalen (Fertigkeiten, Fähigkeiten und Kenntnisse) wurde für jeden Beruf bestimmt, ob er künftig noch erforderlich sein wird (a.a.O., S. 31). Die gute Nachricht zumindest für Jurist*innen und Richter*innen in den USA ist, dass für sie künftig eine grosse Nachfrage prognostiziert wird (a.a.O., S. 44 und 95).

Schaut man sich eine andere Umfrage bei Studierenden aus den USA, den UK, Südafrika und China an, besitzen Jurist*innen ausbildungsbedingt bereits die wichtigste Kompetenz: Probleme lösen zu können. Doch bereits bei den folgenden vier Fähigkeiten zeigt sich wohl eher Handlungsbedarf: Kommunikationsfähigkeit, Entscheidungs-, Führungs- und Strategiekompetenz.

In einem Report aus 2021 von McKinsey&Company werden vier Kategorien und 56 Basis-Skills unterschieden. Der Fokus liegt auch hier auf kritischem Denken und guten Kommunikations-Skills, Team- und Beziehungsfähigkeiten, Selbstkompetenz und digitalen Kompetenzen. Ferner wurde festgestellt, dass gewisse Skills mit einer höheren Wahrscheinlichkeit korrelieren, künftig eine Arbeit zu haben (z.B. Anpassungsfähigkeit und Bewältigung von Unsicherheiten), ein höheres Einkommen zu erzielen (z.B. Selbstvertrauen) und eine grössere Arbeitszufriedenheit aufzuweisen (z.B. Selbstmotivation). Dies sind alles Punkte, die auch für Jurist*innen relevant sind.

Schliesslich unterscheidet der 2021 Global Skills Report von Coursera die folgenden drei Skills: Business, Technology und Data. Hier wird offenbar ein besonderes Augenmerk auf die Kompetenzen im Umgang mit Daten und Technologie gelegt.

Aus all diesen Studien kann man unter anderem folgende relevante Ergebnisse ableiten:

Wissensarbeit bleibt zentral

Versteht man Jurist*innen als Wissensarbeiter, werden sie weiterhin gefragt bleiben. Um interessant zu bleiben, muss ihre Fachexpertise jedoch in verschiedener Hinsicht angereichert werden, um den Kundennutzen zu erhöhen. Nur mit juristischem Wissen allein wird man es im Wettbewerb schwer haben.

Business und Management – ein Evergreen

Kanzleien und Rechtsabteilungen müssen nach betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten geführt werden. Die Zeiten sind vorbei, als Juristen den Aufwand bestimmten und Rechtsrat «zu jedem Preis» produzieren durften. Der Blickwinkel wird sich von einer Input- zu einer Output-orientierten Perspektive verschieben. Basiskenntnisse in Themen wie Strategie, Geschäftsmodelle, Operations- und Projektmanagement werden wichtiger. Entsprechend werden auch Finanzkenntnisse relevant, um den eigenen Betrieb effizienter zu führen, die Kunden besser zu verstehen und damit einen passenderen Rechtsrat zu erbringen.

Leadership – wenn die menschliche Ressource zählt

Im Herbst 2021 las man insbesondere in den USA vermehrt Schlagzeilen, die sich nur einem Thema zu widmen schienen: den Salären der Berufseinsteiger*innen und den bezahlten Boni, um damit den «War for Talent» für sich zu gewinnen (Attraction statt Attrition). Dieser Ansatz verlangt zwar rudimentäre Finanzkenntnisse, hinterlässt aber Fragen bezüglich Leadership – ausser natürlich man geht davon aus, dass Jurist*innen lediglich mit Geld zu gewinnen und motivieren sind. Gerade in der heutigen Zeit, in welcher sich Unternehmen vermehrt auch mit Fragen ihrer Kund*innen zu Nachhaltigkeit (z.B. ESG) konfrontiert sehen, reichen sie diese Anforderung an ihre Lieferanten (z.B. Anwaltskanzleien) weiter. Dies sollte auch in der Personalführung berücksichtigt werden. Es geht dabei nicht zuletzt um Fragen der Einstellung und Werte (Stichwort: Purpose), die insbesondere für jüngere Mitarbeitende immer wichtiger werden, und wie man sich als Arbeitgeber nach aussen darstellt bzw. wahrgenommen wird. Eine zunehmend komplexere Zusammensetzung der Mitarbeitenden (u.a. Alter, Geschlecht, Herkunft, Ausbildung, Werte) stellen veränderte und steigende Anforderungen an die Personalführung. Dies verlangt insbesondere auch kulturübergreifende Aufmerksamkeit und ein hohes Mass an emotionaler Intelligenz und Empathie.

Technische Fähigkeiten und Datenkompetenz (Data Analytics)

Technologie ist gekommen, um zu bleiben. Die Pandemie hat dies nicht nur eindrücklich bestätigt, sondern vielmehr verstärkt. Es geht dabei nicht darum, per E-Mail kommunizieren und die letzten Gerichtsentscheide im Internet suchen zu können. Sie müssen vielmehr die neuen, digitalen Geschäftsmodelle und die Relevanz von Technik und Daten für ihre Kunden besser verstehen und beurteilen können, um basierend darauf die von ihnen erwartete juristische Einschätzung nützlich einbringen zu können. Ist dieser erste Schritt gemacht, kann man sich anschliessend auch noch überlegen, welche Arbeiten in der eigenen juristischen Wertschöpfungskette digitalisiert oder ausgelagert werden können.

Ausblick

Die schlechte Nachricht für Jurist*innen besteht zunächst darin, dass die anspruchsvolle und auch zeitlich lange juristische Ausbildung nur das Eintrittsticket darstellt, um in der Rechtsberatung tätig zu sein. Exzellenz als juristischer Berater erzielt man anschliessend nicht nur durch die grosse berufliche Erfahrung, sondern auch durch einen kontinuierlichen Ausbau der eigenen Wissenskompetenz in die Breite. Um die eigene Arbeitsmarktfähigkeit zu erhalten wird künftig also mehr als nur gerade die obligate Weiterbildung in juristischen Fächern erwartet werden. Das führt direkt zur guten Nachricht: Auf diese Weise werden eine Vielzahl von Jurist*innen mit unterschiedlichen Skills hervorgehen, die sich nicht nur an den Noten der juristischen Studienfächer messen und vergleichen lassen wollen. Die Zukunft des ganzen Rechtsmarkts wird farbiger und komplexer werden, und das sowohl hinsichtlich der Rekrutierung von Jurist*innen als auch in der Auswahl der juristischen Berater*innen durch die Kunden. Oder anders ausgedrückt: Jurist*innen werden mindestens «more for the same» bieten müssen.

Über die Autorin / den Autor

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Prof. Dr. Bruno Mascello Academic Director Law & Management

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