Das Interview führte Kathrin Ott ehemalige Mitarbeiterin vom Competence Centre for Diversity & Inclusion / Women Back to Business. Geantwortet haben Evelyn Meier und Adrian Schüpbach gemeinsam – natürlich.

Sie teilen sich seit letztem Herbst eine Führungsposition. Wie kam es dazu, dass Sie dieses Modell als die optimale Lösung erachtet haben?

Vorausschickend gilt es zu erwähnen, dass wir beide seit Jahren immer wieder in verschiedenen Funktionen in unterschiedlichen Bereichen der Bank eng zusammenarbeiteten. Und dabei galt es immer wieder den Status Quo zu hinterfragen und neue Ideen zu diskutieren. Seit längerer Zeit haben wir uns mit Alternativen zu lang etablierten Arbeitsmodellen auseinandergesetzt und dabei vor allem die Variante (eines) Topsharing im Detail angeschaut. Und je länger desto mehr kamen wir zur Überzeugung, dass dieses Modell sowohl für uns wie auch für den Arbeitgeber sehr viele Vorteile hat.

Wie haben Sie die Aufgaben und die Führungsverantwortung aufgeteilt?

Wir haben uns ganz bewusst gegen eine Aufteilung der Aufgaben und Verantwortlichkeiten entschieden, sehen also von einer Spezialisierung ab. Das heisst, dass wir über alle Themen gleichermassen Bescheid wissen müssen. Das ist absolut zentral zum einen als Grundlage für unsere Entscheide und zum andern für unsere Stakeholder. Denn unabhängig davon, wer «im Dienst ist», können sich Mitarbeitende, Partner oder Vorgesetzte darauf verlassen, dass ihre Anliegen jederzeit adressiert und kompetent bearbeitet werden. Unserer Meinung nach ist das absolut entscheidend für den Erfolg dieses Set-ups. Voraussetzung dafür: Wir stellen immer sicher, dass wir uns gut abstimmen und dokumentieren. Dieser Mehraufwand wird durch nachhaltigere Entscheide (es sind immer zwei Brains daran beteiligt), gute Dokumentation der Führungsarbeit, aushebeln von allfälligen Bias gegenüber Prozessen etc. mehr als kompensiert.

Was sind Ihre Erfahrungen bisher?

Knapp und klar: Ausschliesslich positiv und motivierend! Etwas näher betrachtet, sehen wir dieses Arbeits-Modell wirklich als Erfolgsfaktor für die Zukunft, insbesondere für anspruchsvolle Funktionen, respektive Führungsfunktionen. Wie schon erwähnt, sind nicht nur immer «two brains» an der Arbeit, sondern Stellvertretungen bei Ferien und Krankheiten sind sichergestellt, wir bringen zusammen deutlich über 40 Jahre Berufserfahrung in unterschiedlichsten Bereichen mit und vor allem haben wir individuelle Ansichten, die in die Entscheidungsfindung einfliessen.
Eine der einschneidendsten Erfahrungen – vermutlich für alle von uns – ist die Situation rund um die Corona-Pandemie. Von einem Tag auf den andern sind wir alle in ein Krisenszenario katapultiert worden. In dieser ausserordentlichen Situation zu zweit eine verantwortungsvolle Position inne zu haben und über zwei Mentalitäten, zwei Ideenpools, einen Sparringpartner, zweimal Flexibilität auf der Ressourcenplanung zu verfügen, ist unglaublich wertvoll.

Es gibt Unternehmen, wo es viel Überzeugungsarbeit braucht, um Topsharing durchzusetzen. Wie konnten Sie Ihre Vorgesetzten dafür gewinnen?

Topsharing war in unserer Firma als Modell noch nicht etabliert, das bedeutete, dass wir auch Überzeugungsarbeit leisten durften. Ein klarer Vorteil war, dass unser Vorgesetzter zum einen gegenüber neuen Arbeitsmodellen grundsätzlich offen ist und zum andern uns bereits seit mehreren Jahren kennt und unsere Persönlichkeiten einschätzen kann. Aber wir mussten überzeugen – dies einerseits spezifisch für diese Funktion mit einem inhaltlichen Konzept und andererseits galt es die Geschäftsleitung auch für das Arbeitsmodell zu gewinnen. Schlussendlich sind wir glücklich und auch stolz, dass beides geklappt hat. Und wir sind uns bewusst, dass wir eine grosse Chance erhalten haben und wir gleichzeitig nun auch beweisen müssen, dass das Modell funktioniert!

Wie stehen Ihre Vorgesetzten heute demgegenüber?

Da zitieren wir unseren Chef sehr gerne: «was my best decision ever». Wichtig für ihn war, dass das Modell nicht zusätzliche Komplexität im System erzeugt – dies in seiner Interaktion mit uns, aber auch wir in der Zusammenarbeit mit unseren Mitarbeitenden und Peers. Gab es intern und auch im Umfeld Vorbehalte gegenüber Ihrer geteilten Führungsverantwortung?

Die Reaktionen uns gegenüber waren durchwegs positiv. In den ersten Wochen mussten wir uns schon unter Beweis stellen. Aber sehr schnell konnten wir unser Umfeld von den Vorteilen überzeugen. Selbstverständlich haben wir auch davon profitiert, dass über dieses Modell intern gesprochen wurde – nicht nur von uns, sondern auch von unserem aktuellen Vorgesetzten und ehemaligen Vorgesetzten.

Im Unternehmen sind Sie Vorbilder für andere Führungskräfte und Mitarbeitende. Wollen Ihre Kolleg*innen und Ihre Mitarbeitenden nun ebenfalls alle Teilzeit arbeiten? Gibt es dazu Regeln?

Wir haben ganz klar von etlichen Mitarbeitenden das Interesse an diesem Arbeitsmodell «gespürt». Selbstverständlich motivieren wir diese Mitarbeitenden mit ihren Vorgesetzten ihre Situation und die Möglichkeiten zu prüfen, sodass sich ein solches Modell auch weiter etablieren kann.
Zum Thema «agile working» und zu den unterschiedlichen Arbeitsmodellen gibt es seitens HR Informationen und Richtlinien, die es zu berücksichtigen gilt. Regeln sind wichtig, aber aus unserer Optik ist das Gespräch zwischen Mitarbeitenden und Vorgesetzten das Wichtigste – diese können am besten abschätzen, ob das Modell in einem spezifischen Bereich funktioniert und die betrieblichen Rahmenbedingungen es zulassen.

Wird die Rollenaufteilung von den Mitarbeitenden akzeptiert oder besteht die Gefahr, dass Sie beide gegeneinander ausgespielt werden?

Bis jetzt können wir ganz klar sagen, dass die Rollenaufteilung von den Mitarbeitenden akzeptiert wird. Da wir unsere Meetings und Entscheide sehr genau dokumentieren, sind wir jeweils sehr gut auf die Gespräche vorbereitet und können auch allfällige vorherige Diskussionen/Besprechungen, welche der Topsharing Partner geführt hat, nachvollziehen und darauf aufbauen.

In welchen Bereichen sind Sie erfolgreicher, effizienter als vorher? Wo sehen Sie die Vorteile?

Entscheide werden ganzheitlicher, strukturierter und fundierter getroffen – «two brains», zwei Erfahrungswelten, zwei Netzwerke, zwei Temperamente und zwei Ansichten welche in die Diskussion einfliessen und eine solide Grundlage bilden, um dann Entscheidungen zu treffen.

Nachhaltigkeit – Da wir unsere Aufgaben nicht aufteilen, sondern wir beide für alle Tätigkeiten und Entscheide verantwortlich sind, müssen wir uns zwangsläufig sehr gut dokumentieren. Die heutigen verfügbaren technischen Möglichkeiten nutzen wir vollumfänglich.

Mental Power – bei längeren Meetings können wir uns sehr gut gegenseitig ergänzen. Das heisst wenn der Energielevel bei einem von uns sinkt besteht zumindest die Hoffnung, dass er beim anderen nicht auch gerade im Sinkflug ist.

Argumentations-Filigranität – in Meetings wo wir beide anwesend sind, können wir sicherstellen, dass sämtliche Argumente auf den Tisch kommen. Spricht die eine Person, so hat die andere Zeit zum Überlegen und dann kann sie allenfalls ergänzen und nachdoppeln.

Sehr zentral ist auch über einen Sparringpartner zu verfügen, der/die im genau gleichen Boot sitzt und ohne Befangenheit agieren kann. Wir werden als eine Person beurteilt, somit teilen wir uns Erfolg und Versagen auf Gedeih und Verderben. Entsprechend pushen beide immer für den optimalen Outcome und scheuen sich nicht, Kritik, Verbesserungsvorschläge, Bedenken anzubringen.

Mit welchen Herausforderungen sahen Sie sich in den letzten Monaten durch die geteilte Führung konfrontiert?

Zuerst einmal mussten wir unsere Arbeit organisieren – wie nutzen wir die Systeme, wie sind die Berechtigungen vergeben, wo und wie können wir uns stellvertreten, wo sind die Laufwerke, welche wir benutzen, wie sieht das mit den Telefonen aus und so weiter – also ganz banale Arbeitsplatzorganisation. Die erste Erkenntnis war: Die Arbeitswelt sieht eigentlich ein solches Modell gar nicht vor. Aber mit etlichen Workarounds und Zusatzaufwand konnten wir uns hier an die Ziellösung herantasten.

Ein weiterer ganz wichtiger Punkt, ist die Abstimmung und das Verständnis unter den Topsharing Partnern. Da wir bereits über 20 Jahre gleichzeitig oder nacheinander in ähnlichen Funktionen gearbeitet haben, haben wir da eine optimale Ausgangslage. Wir wissen sehr gut wie wir business-mässig funktionieren, welche Werte wir haben und wie ein Entscheid des anderen aussehen könnte.

Was möchten Sie anderen Personen mit auf den Weg geben, die ein Topsharing anstreben?

Finde einen Topsharing Partner, überzeugt den Vorgesetzten mit Argumenten und eurer Persönlichkeit, seid bereit am Anfang den Zusatzaufwand als Investition in ein nachhaltiges und erfolgreiches Arbeitsmodell zu investieren – für euch und das Unternehmen.

Über das Competence Centre for Diversity & Inclusion
Das Competence Centre for Diversity & Inclusion  der Universität St.Gallen berät Unternehmen zum Thema Diversity & Inclusion. Flexible Arbeitsmodelle ist eine von vielen Massnahmen zur Förderung der Diversität. Gerne begleiten wir Sie auf Ihrem Weg zu einer umfassenden Diversity & Inclusion-Strategie!


Adrian Schüpbach begann 2003 bei der Credit Suisse als Global Head of Sponsorship, Exhibitions & Event Service. Seither hatte er verschiedene Führungspositionen bei der Credit Suisse. Heute ist er Head Cash Service (Schweiz) AG in einer Topsharing-Rolle. Adrian Schüpbach hat einen Executive MBA der Universität Zürich, Yale und Fudan, einen Master of Science der ETH Zürich und absolvierte den CAS in Digital Leadership & Transformation der Universität St.Gallen.

Evelyn Meier ist seit über 15 Jahren bei der Credit Suisse als Führungsperson in verschiedenen Bereichen v.a. im Sponsoring und in der Kommunikation tätig. Aktuell ist sie Head Cash Service bei der Credit Suisse (Schweiz) AG in einer Topsharing-Rolle. Evelyn Meier hält einen Master in Management, Technology, and Economics der ETH sowie einen Master (lic. Phil. I) der Philosophischen Fakultät der Universität Zürich.

Die Credit Suisse AG ist einer der weltweit führenden Finanzdienstleister. Die Strategie baut auf den Kernstärken der Credit Suisse auf: der Positionierung als eines der führenden Institute in der Vermögensverwaltung, den ausgeprägten Kompetenzen im Investment Banking und der starken Präsenz im Heimmarkt Schweiz. Sie verfolgen bei der Vermögensverwaltung einen ausgewogenen Ansatz mit dem Ziel, sowohl von der grossen Vermögensbasis in den reifen Märkten als auch vom erheblichen Vermögenszuwachs in der Region Asien-Pazifik und anderen Schwellenmärkten zu profitieren, während sie gleichzeitig die wichtigsten entwickelten Märkte mit Schwerpunkt auf der Schweiz bedienen. Die Credit Suisse beschäftigt etwa 47’860 Mitarbeitende.

Über die Autorin / den Autor

o2AHBToffD

Executive School of Management, Technology and Law

Newsletter

Die neusten Beiträge direkt ins Postfach.

Newsletter [DE]

Beitrag teilen

Weitere Beiträge

  • Future of Work und die Rolle von Diversity, Equity & Inclusion

  • Leadership im Umbruch: Fünf Trends einer modernen Führung

  • Ist die Zukunft der Arbeit auch für den Rechtsmarkt relevant?

  • Warum inklusive Führung für alle Generationen wichtig ist

  • Brauchen junge Jurist:innen auch Leadership? Einteilung nach Generationen – etwas willkürlich, aber nützlich