In meinem ersten Blogpost der angekündigten Serie habe ich versucht zu zeigen, dass Digitalisierung zwar ein Phänomen ist, das auch für Kanzleien relevant ist. Mein Résumé aber war, dass die Kanzleipartner den Schwerpunkt ihrer Management-Bemühungen auf die Erarbeitung einer konsistenten Strategie und ein überzeugendes Geschäftsmodell legen sollten. Technologie kann dann unterstützen, ist aber natürlich für sich allein noch lange keine Strategie!

Bevor ich nun ein paar Überlegungen zur Entwicklung einer Kanzleistrategie anstelle, möchte ich einige der wichtigsten Trends im Kanzleimarkt beleuchten. Sie bilden sozusagen den Kontext für die strategischen Überlegungen der Partner.

Lassen Sie uns zuerst über das Phänomen der Globalisierung reden. Es ist banal: In den letzten Jahren ist die Fragmentierung von Wertschöpfungsketten in praktisch allen Industrien zu einem dominanten Gestaltungsfaktor geworden. Immer häufiger optimieren Unternehmen ihre Profitabilität, indem sie nur noch das tun, was sie wirklich gut können. Autobauer etwa oder Hersteller von Laptops, Pharmaunternehmen oder Fabrikanten von Heimelektronik setzen auf arbeitsteilige Geschäftsmodelle. Sie beziehen Komponenten für ihre Produkte von zahllosen, oft kleinen Zulieferern und bauen diese lediglich noch zusammen oder beschränken sich gar auf die Vermarktung.

Was bedeutet das für Kanzleien, die wirtschaftsrechtliche Dienstleistungen anbieten? Nun, zuerst einmal fällt auf, dass grosse Kanzleien weltweit Niederlassungen in allen möglichen Ländern aufbauen, bevorzugt in Ländern, in denen Zulieferer von Unternehmen westlicher Ökonomien ihre Standorte haben. Eine Studie von Legal Business 2016 zeigt, dass immer mehr grosse Kanzleien in zahlreichen, manchmal Dutzenden von Ländern präsent sind. Baker McKenzie, Dentons, DLA Piper und andere sind so zu globalen Brands geworden.

Was aber bedeutet Globalisierung für kleinere und mittlere Kanzleien? Sind diese auch davon betroffen? Lassen Sie mich eine Frage stellen: Was glauben Sie, an wen wird sich ein Autozulieferer mit 200 Mitarbeitern im Raum Stuttgart wenden, wenn er beim Vertragsschluss mit einem Hersteller in den USA rechtlichen Rat sucht? An eine Grosskanzlei mit Tausenden von Anwälten, von der er bisher nicht einmal den Namen kannte, oder an die kleine 20-Personen-Kanzlei in der Nachbarschaft, die ihn seit zwanzig Jahren zuverlässig und erfolgreich berät? Eben! Er wird sich natürlich an die ihm vertrauten Rechtsberater zuhause wenden. Diese aber sind gefordert. Sie werden entweder das notwendige Wissen für das konkrete Mandat in einem Netzwerk mit Kanzleien in anderen Ländern beschaffen oder selbst die erforderlichen Ressourcen aufbauen müssen. Ersteres wird die Regel, letzteres die Ausnahme für ganz bestimmte Nischen sein, etwa wenn es um den kleinen Grenzverkehr geht oder um immer wiederkehrende Anfragen mit Bezug zu ausgewählten Jurisdiktionen.

Das bedeutet nichts anderes, als dass Globalisierung ein Phänomen ist, das nicht nur Grosskanzleien betrifft, sondern auch zahlreiche eher kleinere Kanzleien, die Kundenbeziehungen zu Unternehmen pflegen, welche Teil stark fragmentierter Wertschöpfungsketten sind. Man kann deshalb wohl sagen, dass wir im Moment Zeugen eines Trends hin zur Demokratisierung von juristischer Beratungskompetenz im internationalen Wirtschaftsrecht sind. Dazu passt die Beobachtung, dass in manchen Märkten die grossen Kanzleien und die eher kleinen Kanzleien wachsen, nicht aber die im mittelgrossen Segment (vgl. für den US-Markt http://legalexecutiveinstitute.com/2018-legal-market-report/).

Dieser Artikel ist Teil der Serie «Die wichtigsten Trends im Rechtsmarkt». Erfahren Sie mehr in den anderen Artikeln:

Über die Autorin / den Autor

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Executive School of Management, Technology and Law

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