Dieser Blog ist die Fortführung von «Investieren Sie bereits in KI-Projekte? Eine Motivation». Im vorherigen Blog finden Sie auch ein kleines ABC des maschinellen Lernens / der Künstlichen Intelligenz, auf das wir uns hier beziehen.

Erstens einmal werden Datensysteme nur dann richtig «kultiviert», wenn sich das Management der Wichtigkeit dieser Aufgabe bewusst ist und auch die entsprechenden Mittel dafür einsetzt und mit den Spezialisten-Teams proaktiv zusammenarbeitet. Es gibt nichts frustrierenderes für DatenspezialistInnen als in einer Umgebung zu arbeiten, in der das Management ihre Aktivitäten nicht unterstützt oder unrealistische Forderungen stellt. Diese DatenspezialistInnen werden bald ihre Motivation verlieren und mit Zynismus reagieren. Das ist wohl kaum ein Erfolgsrezept.

Zweitens schanzt die Tatsache, dass Algorithmen Muster erkennen, die wir Menschen oft nicht erfassen und interpretieren können, den Programmierern und letztlich Ihnen als ManagerIn eine grosse ethische Verantwortung zu. Sind Algorithmen in der Welt, die ethisch fragwürdige Entscheidungen treffen, weil sie es aus Ihren (ungepflegten) Daten so gelernt haben, ist es oft sehr aufwendig, den entstandenen Schaden wieder zu korrigieren. Nur mit einem etwas tiefergehendem Verständnis, wie KI funktioniert, sind sie hier für die Warnsignale hinreichend sensibilisiert.

Drittens machen Algorithmen auch fast nie fehlerfreie Arbeit, wenn sie auch – hoffentlich – weniger Fehler als die Menschen machen, welchen sie diese abnehmen. Kehren wir zurück zum Beispiel der Kreditwürdigkeit. Im Beispiel der automatisierten Kreditvergabe können Sie zwei Arten von Fehlern machen:

  • Sie vergeben einen Kredit, aber es kommt doch zu einem Ausfall; oder
  • Sie vergeben keinen Kredit, obwohl die KreditnehmerIn ihn zurückbezahlt hätte.

Das Wunderbare ist, dass es beim Algorithmus eine Stellschraube gibt, die abbildet, ob Sie risikofreudiger sind und damit lieber mehr Fehler der ersten Art machen wollen oder ob Sie doch lieber vorsichtiger agieren möchten und Sie folglich mehr Fehler der zweiten Art begehen werden. Sind Sie zu vorsichtig und vergeben kaum noch Kredite, dann können Sie Ihre Bank auch gleich schliessen. Es ist klar, dass diese Entscheidung mehr mit einer Geschäftsstrategie zu tun hat als mit purem Programmieren. Die Wahl schlägt sich in Ihrem geschäftlichen Ergebnis nieder! Was Sie sicher nicht wollen, ist, diese Entscheidung Ihrem Programmiererteam zu überlassen. Genau das passiert aber leider in vielen Fällen. Und es passiert praktisch mit Sicherheit in jenen Unternehmen, in welchen das Management selbst nichts von KI versteht. Nur wenn Sie um diese Thematik wissen, können Sie fruchtbar mit Ihren SpezialistInnen zusammenarbeiten und gemeinsam die Parameter so setzen, dass sie zu Ihrer Geschäftsstrategie passen. Ganz allgemein werden die SpezialistInnen Sie in dem Masse ernst nehmen, in dem Sie in den Grundzügen etwas von KI verstehen. Dies ist sehr wichtig, um zynisches Verhalten der Programmierer – leider in der Praxis nicht unüblich – zu vermeiden.

Planungslogik von Datenprojekten

Zudem haben wir festgestellt, dass Führungskräfte mit der «Natur» von KI-Projekten oft Mühe haben, denn sie sind sehr volatil. Wenn bei einem KI-Projekt Schwierigkeiten auftreten, dann führt ein höherer Ressourceneinsatz oft nicht zu mehr Erfolg. Diese Vorstellung kommt u.a. meist aus der Erfahrung mit klassischen IT-Projekten wie der Entwicklung einer neuen Buchhaltungssoftware. Daten kooperieren manchmal einfach nicht, und dies kann bereits nach drei Wochen klar sein. In so einem Fall ist es oft das Beste, ein Projekt schnell zu beerdigen. Unserer Erfahrung nach können ManagerInnen mit dieser Logik tendenziell nicht so umgehen, besonders dann, wenn sie nicht verstehen, warum Daten so viel Volatilität mit sich bringen. Daten brauchen «Trial and Error», mehr noch als eine «agile» Vorgehensweise. Stellt es sich z.B. nach ein paar Tagen heraus, dass in einem Projekt die Zielgrösse – die «Y-Variable» –, fehlt, ist das Projekt meistens gleich am Ende. Allenfalls kann man die Entscheidung treffen, diese Grösse von jetzt an zu erfassen und in ein paar Monaten oder Jahren noch einmal anzufangen. Für manche Führungskraft ist dies irritierend, weil oft die Vorstellung vorherrscht, dass rein mit der Existenz einer grossen Datenmenge Erkenntnisgewinn und hohes Wertschöpfungspotential möglich sein muss.

Mit was für einem Projekt starten?

Für die ersten Erfahrungen mit KI empfehlen wir Ihnen, ein Projekt zu finden, welches nicht die Kernprozesse tangiert, niedrige Komplexität aufweist, aber einen relativ hohen Impact entwickeln kann. Das erste KI-Projekt sollte auf jeden Fall erfolgreich sein, denn es hat eine Leuchtturmwirkung! Ein prototypisches Beispiel ist das Kundenverhalten oder die Effektivität von Marketingkampagnen. Bilderkennung ist auch oft recht einfach zu implementieren, weil dafür bereits Technologiebausteine zur Verfügung stehen.

Ein (reales) Beispiel aus der Praxis: Eine Krankenversicherung versendete pro Jahr 60’000 Briefe, um Kunden zu überzeugen, einen höheren Versicherungsschutz zu wählen. Durchschnittlich war diese Marketingaktion bei 300 Personen erfolgreich Das entspricht einer Quote von 0.5%. Es war ein Leichtes, hier mit Algorithmen des maschinellen Lernens diejenigen Personen zu filtern, die eine hohe Bereitschaft aufwiesen, sich besser zu versichern. So konnte die Versicherung nur noch gezielt um die 300 Personen anschreiben und die Erfolgsquote lag bei mindestens 90%! Zirka 59’700 Briefe mussten nicht mehr versendet werden und landeten damit auch nicht im Müll.

In Summe sind wir überzeugt, dass es wichtige Gründe gibt, warum ManagerInnen selbst über ein Grundverständnis von KI verfügen sollten. Insbesondere erlaubt dies eine fruchtbare Zusammenarbeit mit den DatenspezialistInnen. Auf den Punkt gebracht, sehen wir folgende Erfolgsfaktoren und Stolpersteine bei der Umsetzung von KI-Projekten:

Erfolgsfaktoren und Stolpersteine

Erfolgsfaktoren

  • Das Management hat ein Grundverständnis von KI.
  • Daten werden «kultiviert».
  • DatenspezialistInnen treffen strategische Entscheidungen gemeinsam mit dem Management.
  • Sie starten mit einem überschaubaren Projekt mit grosser Wirkung.

Stolpersteine – Die Vorstellung, dass…

  • mehr Ressourcen zu mehr Erfolg führen.
  • sich mit schieren Datenmengen sowieso immer etwas machen lässt.
  • man alles den Experten überlassen kann.
  • man beim Kauf eines Systems nichts mehr zu verstehen braucht und einfach auf den Knopf drücken kann.
  • ein grosses Projekt erfolgsträchtiger ist als ein kleineres.

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Über die Autorin / den Autor

Johannes Binswanger 1

Prof. Dr. Johannes Binswanger Professor für Volkswirtschaftslehre

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