Die Schweizer Bevölkerung hat aufgrund der Massnahmen rund um das Coronavirus nicht nur ihr Konsumverhalten radikal geändert, sondern auch die Art und Weise zu bezahlen. Sie hat nach dem Lockdown am 16. März 2020 deutlich weniger konsumiert, weil fast alle Geschäfte und Restaurants schliessen mussten und das Dienstleistungsangebot drastisch reduziert war. So ist der Kredit- und Debitkartenumsatz im Inland während der ausserordentlichen Lage durchschnittlich um -35% und -27% gesunken. Es wurde im Durchschnitt rund ein Drittel weniger Bargeld bezogen als vor dem Lockdown (siehe Daten und Grafiken dazu hier). Diese Zahlen zeigen einen ersten Blick in die negativen ökonomischen Auswirkungen des Lockdowns.

Zusätzlich hat sich das individuelle Zahlungsverhalten verändert. Bargeld geniesst immer noch einen hohen Stellenwert in der Schweiz. Rund die Hälfte der Transaktionen wurden im Jahr 2019 in bar abgewickelt, was rund einem Viertel des Umsatzes entspricht. Die Situation während der Coronapandemie hat zum Bewusstsein geführt, dass Bargeld vielfach mit Viren und Bakterien kontaminiert sein kann. Studien zeigen, dass Viren bis zu 12 Tagen auf einer Banknote überleben. Konsumenten wurden in Geschäften auch explizit darauf hingewiesen, bargeldlos und sogar kontaktlos zu bezahlen. Anfang April wurde sogar im Eiltempo die Limite für kontaktloses Bezahlen ohne PIN-Eingabe auf 80 Franken erhöht. Diese «Push-» und «Pull-»Effekte haben in zweifacher Hinsicht zu einem veränderten Zahlungsverhalten während der Coronapandemie beigetragen, wie aktuelle Daten zum Zahlungsmittelgebrauch in der Schweiz zeigen.

Kontaktloses Bezahlen und insbesondere Onlinezahlungen haben nach dem Lockdown verhältnismässig deutlich zugenommen. Der kontaktlos getätigte Kreditkartenumsatz und der Umsatz mit Onlinezahlungen ist während der ausserordentlichen Lage um +8%-Punkte und rund +16%-Punkte gestiegen (siehe Abbildung 1). Die kontaktlosen Zahlungen sowie Onlinezahlungen haben um rund 3%-Punkte und 11%-Punkte zugenommen. Viele Kreditkartenbesitzer bezahlten folglich lieber berührungslos statt konventionell und vertrieben sich vermehrt die Zeit mit Onlineshopping statt mit Einkaufen vor Ort.

Zusätzlich wurde nach dem Lockdown verhältnismässig weniger mit Kreditkarte bezahlt und weniger häufig Bargeld bezogen, während die Debitkarte vermehrt zum Einsatz kam. Die Anzahl Bargeldbezüge und Kreditkartenzahlungen haben während der ausserordentlichen Lage im Durchschnitt anteilsmässig um -2,6%-Punkte und -2,2%-Punkte abgenommen, während der Debitkarteneinsatz um +4,8%-Punkte stieg (siehe Abbildung 2).

 

Viele Güter des täglichen Gebrauchs werden mit Bargeld oder Debitkarte bezahlt, während für Restaurantbesuche, Reisen und langlebige Produkte mehrheitlich die Kreditkarte Verwendung findet. Diese Möglichkeiten waren nach dem Lockdown deutlich eingeschränkt, was zu weniger Kreditkartenzahlungen führte. Die Debitkarte wurde hingegen aufgrund ihrer vermeintlich hygienischeren Eigenschaften verglichen mit Bargeld wohl häufiger als Bargeld für alltägliche Besorgungen verwendet – die gesunkene Anzahl Bargeldbezüge könnte ein Indiz dafür sein. Ein Vergleich der Ausgaben der drei Zahlungsmittel zeigt ein ähnliches Bild (siehe Abbildung 3).

 

 

Der Debitkartenumsatz hat vergleichsweise zugenommen (+3,3%-Punkte), während der Kreditkartenumsatz sank (-4,6%-Punkte). Der Umsatz der Bargeldbezüge nahm mit 1,3%-Punkten leicht zu. Die Daten zeigen, dass der durchschnittliche Betrag pro Bargeldbezug während der ausserordentlichen Lage um rund 38% auf 450 Fr. gestiegen ist. Entweder wurde Bargeld aufgrund von krisenbedingten Vorsichtsmassnahmen vermehrt gehalten oder aber es wurde ähnlich viel mit Bargeld ausgegeben. Gemäss Angaben des Detailhandels sind die Umsätze mit Bargeld nach dem Lockdown jedoch deutlich zurück gegangen.

Deutlich zugenommen hat nach dem Lockdown hingegen das mobile Bezahlen, insbesondere mit Twint. Die Neuregistrierungen pro Tag haben sich verdoppelt, so auch im Minimum die Anzahl Transaktionen. Mobile payment ist in der Schweiz mittlerweile etabliert.

Das Coronavirus wird die Welt noch länger in Atem halten und das Zahlungsverhalten nachhaltig verändern. Es wird den Trend hin zu mehr bargeldlosem Bezahlen zusätzlich verstärken, denn Personen werden vermehrt kontaktlos bezahlen und online einkaufen. Auch mobiles Bezahlen wird weiter stark zunehmen. Viele Personen lernten die Vorzüge bargeldloser Zahlungsmittel während der Coronakrise schätzen, weil sie beinahe dazu gedrängt wurden. So hat jede Krise auch etwas Positives.

Mehr regelmässig aktualisierte Visualisierungen zum individuellen Zahlungsverhalten vor und während der Coronakrise finden sie auf dieser Website.

Über die Autorin / den Autor

HT FSI HSG 132

Dr. Tobias Trütsch Managing Director Center for Financial Services Innovation

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