Auf der Grundlage der verhaltensökonomischen Forschung in Zusammenhang mit Bezahlverfahren an einem stationären und virtuellen Verkaufspunkt lassen sich die gängigsten Zahlungsmittel nach ihrer Schuldeninzidenz rangieren und bewerten. Der Grad des Schuldenmachens mit Zahlungsmitteln basiert dabei hauptsächlich auf den theoretischen Konzepten der Transparenz, des «Schmerz des Bezahlens» und der Verknüpfung der Zahlung mit dem Konsum. Es gilt folgender Zusammenhang: Je höher die Transparenz der Zahlung, je höher der «Schmerz des Bezahlens» und je offensichtlicher die Verknüpfung der Zahlung mit dem Konsum, desto tiefer die Ausgaben und desto niedriger die Wahrscheinlichkeit der Ver- und Überschuldung. Diese Zusammenhänge lassen sich teilweise auch empirisch belegen. Die bekanntesten Zahlungsmethoden an der Verkaufsstelle lassen sich anhand der Schuldeninzidenz – beginnend beim höchsten Grad – wie folgt rangieren: 1) Mobile payment, 2) Kreditkarte, 3) Debitkarte, 4) Prepaidkarte, 5) Geschenkkarte/Gutschein und 6) Bargeld.

Mobile payment umfasst an dieser Stelle sowohl Distanz- als auch Präsenzzahlungen, wobei dieser Art des Bezahlens vielfach herkömmliche Zahlungsmittel wie Debit- und Kreditkarten, aber auch Überweisungen als Zahlungsoptionen zugrunde liegen. Das Mobiltelefon dient hierbei vor allem als Schnittstelle zur Autorisierung, Initiierung und Bestätigung der Transaktion. Meistens bietet es einen neuen Zugangskanal zu klassischen Zahlungsmethoden denn ein innovatives Bezahlverfahren. Die drei oben erwähnten Bewertungskriterien Transparenz der Zahlung, Schmerz des Bezahlens und Verknüpfung der Zahlung mit dem Konsum sind bei mobile-payment-Bezahlverfahren am tiefsten einzustufen, insbesondere das mobile Distanzgeschäft gilt als besonders schuldenfördernd, weil es die Zahlung und das Produkt im Gegensatz zu den restlichen Zahlungsmitteln am stärksten voneinander separiert, dies zusätzlich zur tiefen Transparenz der Zahlung und zum niedrigen «Schmerz des Bezahlens». Dies umso mehr, wenn das zugrundeliegende Bezahlverfahren kreditbasiert ist, d.h. wenn beispielsweise mittels Kreditkarte oder Rechnung bezahlt wird.

Die Kreditkarte rangiert an zweiter Stelle der Schuldeninzidenzrangliste, wobei kontaktlose Karten stärker zum Schuldenmachen animieren als solche ohne Konaktlos-Funktion. Dies gilt auch für kontaktlose Debitkarten, welche gemäss Schuldeninzidenz an dritter Stelle rangieren. Die Verknüpfung der Zahlung mit dem Kauf ist bei Debitkarten stärker ausgeprägt als bei Kreditkarten, da der Betrag direkt vom Konto abgebucht wird, sofern überhaupt genügend finanzielle Mittel vorhanden sind. Das mindert bzw. verhindert das Schuldenmachen zusätzlich.
Generell ist der Grad der Transparenz einer Zahlung bei allen Zahlungskarten ungefähr ähnlich hoch einzustufen, während der «Schmerz des Bezahlens» variieren kann. Beispielsweise werden bei der Prepaid- und der Geschenkkarte die Konsumausgaben vorgängig finanziert, was die Wahrscheinlichkeit der Ver- und Überschuldung verringert. Die Geschenkkarte bzw. der Gutschein weist eine höhere Transparenz der Zahlung auf als die Prepaidkarte, weil vielfach das zum Kauf vorgesehene Produkt und der Betrag bei der Geschenkkarte im Voraus definiert sind. Dadurch existiert eine starke Verknüpfung zwischen Kauf und Bezahlung, was die Geschenkkarte bzw. den Gutschein in der Schuldeninzidenzrangliste nach der Prepaidkarte fungieren lässt. Bargeld rangiert hinsichtlich Schuldeninzidenz gemäss den drei Bewertungskriterien an unterster Stelle, weil es eine optimale Ausgaben- und Budgetkontrolle ermöglicht.

Der vollständige Artikel ist erschienen als Trütsch T. (2019) Schuldenprävention in einer bargeldlosen Gesellschaft. In: Mattes C., Knöpfel C. (eds) Armutsbekämpfung durch Schuldenprävention. Springer VS, Wiesbaden.

Über die Autorin / den Autor

HT FSI HSG 132

Dr. Tobias Trütsch Managing Director Center for Financial Services Innovation

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