Die Umsätze via «mobile payment» sind innerhalb des Zeitraums um das zwanzigfache gestiegen. Das sind erstaunliche Wachstumsraten, welche mobile Bezahldienste wie Alipay und Tenpay an den Tag legten.

Die Schweizer sind hinsichtlich Zahlungsverhalten weniger progressiv: Schätzungen zufolge wurden im Jahr 2016 rund drei Viertel der Zahlungen in bar getätigt, welche rund die Hälfte des Umsatzes ausmachten (2010: 62%). Ungefähr 45% der Einkäufe wurden mit Bankkarten umgesetzt (2010: 25%), was ungefähr einem Viertel der Transaktionen entspricht. Lediglich 0,2% aller Transaktionen in 2016 wurden via Smartphone ausgelöst. Für frühere Jahre sind keine Daten zur Anzahl Transaktionen verfügbar.

Im Gegensatz zu den Entwicklungen in China ist Bargeld in der Schweiz immer noch das beliebteste Zahlungsmittel, wenngleich der Bargeldgebrauch in den letzten Jahren stetig, jedoch weniger ausgeprägt als in China, auch in der Schweiz abgenommen hat. Gewiss, die Ausgangslage in China und der Schweiz ist sehr verschieden, zumal beispielsweise in China ein Grossteil der Bevölkerung keinen Zugang zu Bankdienstleistungen hat und das Geld- und Kreditkartensystem bestimmte Schwächen aufweist. Trotzdem stellt sich hier die Frage, ob eine bargeldlose Gesellschaft in der Schweiz (bald) Realität wird?

Funktionalität von Bargeld

Um diese Frage zu klären, ist es wichtig, die Funktionalität von Bargeld zu kennen. Erstens dient es als allgemein akzeptiertes Zahlungsmittel in einem geographisch begrenzten Währungsraum. Zweitens – und damit einhergehend – findet es dank einfacher Teilbarkeit als systemische Recheneinheit Verwendung. Drittens erfüllt es die Funktion eines Wertaufbewahrungsmittels.

Innovative Zahlungsmethoden – so auch im historischen Kontext Bargeld – entstanden zum Zweck der unkomplizierten Wertübertragung. Es etablierten sich jeweils diejenigen Zahlungsmethoden, welche die Effizienz der ökonomischen Interaktion stark erhöhten und die Transaktionskosten reduzierten.

Daneben spielen die Einfachheit der Bedienung bzw. der Handhabung und der Mehrwert eines Zahlungsmittels eine signifikante Rolle bei der Frage, ob es im ersten Schritt adoptiert und im zweiten Schritt überhaupt eingesetzt wird.

Als Wertaufbewahrungsmittel dient Bargeld vor allem deshalb, weil es bzw. die zugrundeliegende «Franken»-Währung längerfristig vergleichsweise überaus werterhaltend – d. h. kaufkraftstabil – war. Darüber hinaus ist Bargeld äusserst lager- und verkehrsfähig, insbesondere ermöglichen Noten mit hohem Nennwert grosse Beträge bequem zu horten und zu verschieben.

Zukünftige Bedeutung von Bargeld

In der Konsequenz lässt sich festhalten, dass die Bedeutung von Bargeld in der Schweiz als Zahlungsmittel weiter abnehmen, jedoch nicht gänzlich verschwinden wird, weil es gewisse einzigartige Eigenschaften aufweist. Innovative Zahlungsmittel werden aufgrund höherer Effizienz, tieferer Transaktionskosten und erhöhtem Mehrwert Bargeld weiter substituieren. Ausserdem führt das sich ändernde Konsumverhalten bzw. der zunehmende Konsum im virtuellen Raum anteilsmässig unweigerlich zu weniger Bargeldgebrauch. Die Relevanz von Bargeld als Wertaufbewahrungsmittel bleibt jedoch hoch und wird in Zeiten negativer Zinsen, korrupter und autoritärer Regierungen, maroder Banken und -systemen sowie krimineller Machenschaften sogar (weiter) zunehmen.

Eine bargeldlose Gesellschaft in der Schweiz ist aus oben genannten Gründen also noch in weiter Ferne. Sie könnte aber alsbald Realität werden durch Einführung stark restriktiver gesetzlicher Rahmenbedingungen, sprich indem Bargeld als wertlos erklärt wird oder ein totales Verbot der allgemeinen Bargeldakzeptanz und -verwendung gilt. Längerfristig könnte auch die Einschränkung der Bargeldproduktion, -annahme und -herausgabe zu einer «cashless society» führen. Politisch sind solche Vorhaben momentan aber weder mehrheitsfähig noch durchsetzbar.

Nachwort: Die Executive School der Universität St. Gallen hat in Zusammenarbeit mit der ZHAW erstmals mittels einer Tagebuchstudie die Zahlungsgewohnheiten der Schweizer Bevölkerung evaluiert. Detaillierte Resultate werden im Frühjahr 2018 veröffentlicht.

Über die Autorin / den Autor

HT FSI HSG 132

Dr. Tobias Trütsch Managing Director Center for Financial Services Innovation

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