Manager stehen heute vor der Herausforderung, dass gleichzeitig vier bis fünf Generationen im Unternehmen arbeiten und richtig geführt werden wollen. Alle haben konkrete Vorstellungen, wie ihre fachliche, persönliche, zeitliche sowie örtliche Führung und Motivation aussehen soll. So will beispielsweise ein Baby Boomer im Büro anders geführt sein als ein Millennial im Homeoffice via Zoom. Unternehmen können auch nicht selektiv nur auf ein Ziel setzen, d.h. sich auf den wirtschaftlichen Erfolg, Umweltaspekte oder Soziales konzentrieren, sondern müssen alle Bälle gleichzeitig in der Luft halten.

Wenn hier über junge Personen im Arbeitsleben geschrieben wird, konzentriere ich mich auf die beiden Generationen Y und Z. Wie unterscheiden sich diese zwei Generationen von früheren? Den jungen Generationen wird im Allgemeinen zugeschrieben, dass sie Wert auf flache Hierarchien legen, darauf aspirieren, selbst Führungskraft zu werden, und schnelle Aufstiegsmöglichkeiten schätzen. Wichtig ist ihnen auch eine kollaborative Arbeitsweise und Kultur, Flexibilität in Bezug auf Arbeitszeiten, die freie Wahl der Arbeitgeber und variable Bürostrukturen (z.B. Homeoffice oder gar Work-from-Anywhere) sowie digitale Arbeitsformen.

Können Jurist:innen mit Katzen verglichen werden?

Jurist:innen zeichnen sich in der Regel (Achtung: Stereotyp) dadurch aus, dass sie im Vergleich mit der Allgemeinheit eine höhere Präferenz für autonomes und unabhängiges Arbeiten aufweisen und weniger gut Kritik akzeptieren können (Stichwort: Resilienz). Sie reagieren gar defensiv auf negatives Feedback. «In other words, it’s common for lawyers to resist being managed, to bridle at being told what to do, and to prize their independence.” (Larry Richards, Herding Cats: The Lawyer Personality Revealed, 1998). Oder anders ausgedrückt: Jurist:innen wollen nicht geführt werden und eigenverantwortlich arbeiten. Das findet sich auch in den Schweizerischen Standesregeln zum Thema Unabhängigkeit (Art 3 Abs. 1 und 2): «Anwältinnen und Anwälte üben ihre berufliche Tätigkeit in Unabhängigkeit und in eigener disziplinarischer Verantwortung aus. Die Unabhängigkeit setzt voraus, dass sich die Anwältinnen und Anwälte in der Ausübung ihres Berufs keinen Einflüssen von Dritten aussetzen, die ihrerseits nicht der berufsrechtlichen Aufsicht unterstehen.» Der letzte kleine Zusatz erlaubt es zumindest, dass Vorgesetzte, soweit sie auch Anwält:innen sind, durchaus Einfluss nehmen dürfen auf ihre angestellten Anwält:innen. Leadership wäre also nicht verboten.

Und nun beides kombiniert: Wie führt man (a) junge (b) Jurist:innen?

Jede der beiden vorgenannten Perspektiven bietet für Führungskräfte eine nicht zu unterschätzende Herausforderung. Miteinander kombiniert verlangen sie jedoch reichlich Fingerspitzengefühl. Deshalb soll hier noch eine gute Nachricht nachgereicht werden. Zwanzig Jahre nach der Studie von Larry Richards (vgl. oben) hat die Bucerius Law School ihre Studierenden und Alumni im Alter von 18-38 Jahren befragt und wollte überprüfen, ob die damaligen Ergebnisse reproduzierbar sind. Es zeigte sich betreffend dem Persönlichkeitsmerkmal Unabhängigkeit, dass dies nicht der Fall war. Diese Teilnehmenden strebten weniger Autonomie an, arbeiteten gerne in Organisationen mit definierten Zielen, und waren vielmehr Teamplayer und Rudeltiere. (Emma Ziercke/Markus Hartung, Sind Anwälte wirklich Katzen?, LTO Legal Tribune Online 2018). Ob dieses Ergebnis einfach nur auf das junge Alter zurückzuführen ist und vor allem Studierende vor dem Berufseinstieg befragt wurden, kann dahingestellt bleiben.

On top eine dritte Dimension: die veränderten Rahmenbedingungen

In Ergänzung zu den beiden vorgenannten Dimensionen kommt dazu, dass sich die (Arbeits-)welt seit 2020 verändert hat. Zuerst sind die Mitarbeitenden nach Hause geschickt worden. Dann haben sie sich an die Arbeit und die neue Freiheit im Homeoffice gewöhnt. Und nun beordern sie die Unternehmen – manchmal gar unter Androhung der Kündigung – wieder zurück ins Büro. Das gegenwärtige Ergebnis ist ein gut schweizerischer Kompromiss: Gewährung von 1-2 Tagen Homeoffice.

Heutzutage muss jedes Unternehmen das Thema Nachhaltigkeit berücksichtigen. Natürlich gibt es dazu inzwischen gesetzliche Vorschriften, aber in diesem Kontext ist mehr die praktische Umsetzung gemeint. So gehören die Mitarbeitenden mit ihren Pendelkosten oft zu den grössten Verursachern des CO2-Fussabdrucks eines Unternehmens. Sollten wir also die Mitarbeitenden wenn möglich doch mehr im Homeoffice arbeiten lassen? Überdies betonen Mitarbeitende mit geringerer Büropräferenz gerne auch, dass Homeoffice sogar ihr Wohlbefinden und ihre Produktivität steigert. Das muss verifiziert werden.

Was ist nun konkret zu tun?

Im Homeoffice kann das Unternehmen seinen Fürsorgepflichten nicht nachkommen (#Einsamkeit, #Wissenstransfer), das «S» in ESG. Was also tun, um gleichzeitig seinen rechtlichen Pflichten nachzukommen und die drohende Kündigung der Mitarbeitenden zu verhindern? Wenn wir zu viel Druck auf sie ausüben, kündigen die Mitarbeitenden, weil sie wegen dem angespannten Arbeitsmarkt schnell wieder eine andere Stelle finden (#Fachkräftemangel). Und wenn wir das Thema Nachhaltigkeit nicht ernst nehmen, gewinnen wir keine neuen Mitarbeiter bzw. die bestehenden kündigen, weil sie sich nicht (mehr) mit dem Arbeitgeber identifizieren können (#Climate Quitting). Nur um Missverständnisse zu vermeiden: Das Vorgenannte gilt natürlich auch für die eigentlichen Führungskräfte, die ebenso eigene Bedürfnisse und Ansprüche haben und Gefahr laufen, zu kündigen. Eine nicht ganz einfache Situation für verantwortungsvolle Unternehmen (#VUCA).

Situativer und adressatengerechter Führungsstil

Das verlangt von Manager:innen einen hohen Grad an Aufmerksamkeit, die unterschiedlichen Bedürfnisse zu erkennen, genügend Flexibilität und einen transformationalen Führungsstil, empathische Führungskompetenz und viel Widerstandskraft (#Resilienz). Unmittelbar gelebte zwischenmenschliche Beziehungen bleiben für Menschen trotz aller technischen Errungenschaften weiterhin zentral (#Höhlenmenschen), weshalb hier auch das typische Führungsverhalten anschlägt (#Vertrauen). Die technischen und Umweltveränderungen lassen sich nicht aufhalten oder zurückdrehen. Wir müssen uns auf Output und Produktivität konzentrieren, anstatt uns an Input und Präsenzzeit zu orientieren (vgl. Analogie zu Stundenhonorar-Geschäftsmodellen). Vieles gehört heute einfach zu den veränderten oder neuen Werten und Rahmenbedingungen des Arbeitens. Unternehmen und ihre Führungskräfte tun gut daran, sich proaktiv darauf einzustellen.

Zurück zur Eingangsfrage: Brauchen junge Anwält:innen im Berufsleben auch Führung? Ja, denn sie sind wie die früheren Generationen zuvor auch noch nicht komplett ausgebildet. Der Unterschied liegt einzig darin, dass sich die Art und Weise der Führung an neue Gegebenheiten und Bedürfnisse anpassen muss, wenn man die jungen Generationen für sich gewinnen und behalten will.

Über die Autorin / den Autor

1 Bruno Mascello UNI SG PORTRAIT 0112222287 INTERNET

Prof. Dr. Bruno Mascello Academic Director Law & Management

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