«Die Kombination eines menschenorientierten Ansatzes mit schneller Prototyen-Technik zur Lösung komplexer Probleme», so beschreibt Jennifer Hehn, Dozentin an der Executive School der Universität St.Gallen das Design Thinking. «Design Thinking ist eine Möglichkeit, Probleme zu lösen – insbesondere sehr komplexe Probleme – und beruht auf Techniken und Methoden aus Disziplinen wie Psychologie und Ethnologie, um die menschlichen Bedürfnisse zu verstehen. Es werden verschiedene Perspektiven integriert. Dabei wird versucht, das Problem ganzheitlich zu betrachten. Nicht-Designer haben so die Möglichkeit, ihre Dienstleistungen, Produkte und Prozesse sehr systematisch zu gestalten und gleichzeitig Kreativität und Innovation zu fördern.»

Hehn entwickelt gemeinsam mit Dr. Rachel Brooks ein neues Programm zum Erlernen dieser Methodik. Brooks selbst betreute schon Projekte mit komplexen Herausforderungen, als sie zum Beispiel mit einem grossen multinationalen Lebensmittelkonzern zusammenarbeitete. Kleinbauern in Lateinamerika sollten die Möglichkeit erhalten sich zu entwickeln, während gleichzeitig eine effektive und profitable Lieferkette betrieben werden sollte. Das Thema war komplex, da so viele verschiedene Interessengruppen beteiligt waren, darunter internationale und lokale NGOs und verschiedene Regierungsebenen. Design Thinking erhielt bei Brooks plötzlich einen hohen Stellenwert als Methode für komplexe Problemlösungen.

Der angewendete Ansatz des Unternehmens eine Lösung zu finden, war jedoch kein Design Thinking-Ansatz. Im Nachhinein erkennt Brooks, dass ein viel wertvolleres, kreativeres Ergebnis hätte entstehen können, wenn die Bedürfnisse der Bauern im Mittelpunkt des Lösungsprozesses geblieben wären. Das Unternehmen hatte sich – was bei Grossunternehmen häufig vorkommt – für einen Lösungsprozess entschied, bei dem Effizienz Vorrang erhielt vor Effektivität. Sie identifizierten eine Reihe von KPIs, um die Auswirkungen ihres Engagements bei den Landwirten zu messen. Ziemlich schnell gerieten die breiteren Bedürfnisse der betroffenen landwirtschaftlichen Gemeinschaften ins Hintertreffen, und wurden auf eine Handvoll gemessener Indikatoren reduziert. Brooks meint: „Mit Design Thinking hätte es viel mehr Raum für Kreativität gegeben. ” Ein wichtiges Problem war, dass die Bauern das Land verliessen, um in städtischen Gebieten zu arbeiten und Brooks erklärt: „Wenn ich diese Situation mit diesem Unternehmen noch einmal wiederholen könnte, würde ich von Anfang an eine Design Thinking-Frage stellen, zum Beispiel: ‚Wie könnten wir den Aufenthalt auf Bauernhöfen für Landwirte attraktiv machen?‘“ Brooks erkennt, dass dies einen riesigen Pool an neuem kreativem Denken freigesetzt hätte. „Auf einmal wir der Raum geöffnet für Lösungsansätze. Die Möglichkeiten explodieren regelrecht. Es gibt viele verschiedene Richtungen, die Sie einschlagen können, die weit über die Wirkungsmessung hinausgehen. Sobald Sie diese Frage formuliert haben, führt Sie Design Thinking einerseits durch den Prozess der Bedarfsermittlung, bei dem das Wissen ausgeschöpft wird. Andererseits sieht die Methode den Prozess des Feedbacks der tatsächlichen Nutzer vor – in diesem Fall der Landwirte – und anderer Interessengruppen vor Ort.“

„Sie sind in der Lage, all dieses Wissen zu nutzen und anstatt von den Informationen überwältigt zu werden. Viele Unternehmen scheuen sich jedoch genau davor, weil sie ein enormes Potenzial für verlorene Zeit sehen. Design Thinking bietet aber einen Prozess, um diese Informationen zu synthetisieren und zu nutzen und sie in ein interdisziplinäres Team zu transkribieren und Empathie für die verschiedenen Menschen zu schaffen, die von dieser Herausforderung betroffen sind. Danach haben Sie das Potenzial, Ihre Ideenfindung mit einer Reihe von kreativitätsfördernden Techniken zu entwickeln, um enorme Mengen an Ideen, Optionen und Möglichkeiten zu identifizieren.”
Design Thinking entwickelte sich in den frühen Jahren dieses Jahrhunderts zu einem unternehmerischen Problemlösungsprozess, nachdem er Mitte der 1950er Jahre nur als reinerer Designprozess Anwendung fand. Durch die „d.school of Stanford“ erhielt es in der gesamten kommerziellen Welt Einzug. Die Universität St.Gallen ist Teil des SUGAR-Netzwerks, einer globalen Initiative, die zahlreiche Universitäten und Design Thinking-Praktiker verbindet.

Während Design Thinking auf einem fünfstufigen Prozess (Empathise-Define-Ideate-Prototype-Test) basiert, sieht Hehn den wahren Wert in den funktionsübergreifenden Teams, die es zusammenführt, um diese komplexen Themen anzugehen: „Wir hören oft, dass interdisziplinäre Teams wichtig sind, oder dass Vielfalt förderlich ist. Unter dem Strich kommt es darauf an, dass Sie Leute in Ihrem Team haben, die über ein tiefes Wissen zu verschiedenen Themen verfügen und die ganz andere Perspektiven mitbringen und Dinge sehen können, die andere vielleicht übersehen haben. Sie ergänzen so ständig die Wissenslücken der anderen.”
Brooks und Hehns dreitägiges Programm „Creating the Agile Organization with Design Thinking” führt die Teilnehmer durch den Prozess des Design Thinkings, bringt wichtige Unterschiede zu anderen Innovationsansätzen ans Licht und unterstützt sie dann bei der Auseinandersetzung mit ihren eigenen geschäftlichen Herausforderungen in kleinen Teams. Eine Erzählkomponente hilft anderen, sich in die Herausforderung ihrer Teamkollegen einzufühlen und den Kontext besser zu verstehen. Diese bricht das Problem schliesslich durch das Element „Definieren” auf, bevor sie in den offenen Raum der „Idee” springt. Dies führt zu dem von Hehn eingangs erwähnten schnellen Prototyping – und dem Verwerfen gescheiterter Konzepte -, da diese durch die Schleife zurückgeführt und erneut getestet werden. «Das werden intensive 72 Stunden in diesem Programm sein», verspricht Hehn.

 

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