1. Karolin Frankenberger, Sie sprechen in Ihrem neuen Buch über das “Dilemma der digitalen Transformatoren”. Was meinen Sie damit?
Das “Dilemma des digitalen Transformators” kommt bei Unternehmen zum Vorschein, die ihre traditionellen Geschäftsaktivitäten (die so sogenannte “erste S-Kurve”) aufrechterhalten und gleichzeitig ein neues, digitales Geschäftsmodell aufbauen wollen (die so genannte “zweite S-Kurve”). Es gilt ein ideales Zusammenspiel dieser beiden S-Kurven zu erreichen, sodass ein ausgewogenes Verhältnis zwischen der Rentabilität im Kern und dem gleichzeitigen Aufbau des digitalen Geschäfts gewährleistet wird. Nicht zuletzt bringt das Dilemma auch Interessenskonflikte mit sich, denn schliesslich muss zu Beginn das traditionelle Geschäft den Aufbau des neuen, digitalen Geschäfts mitfinanzieren.
2. Was bedeutet Business Transformation für ein Unternehmen?
Bei der digitalen Transformation müssen Unternehmen in einem ersten Schritt überhaupt verstehen, was das für sie und ihr Geschäft bedeutet. Digitale Transformation bedeutet nicht lediglich einige Prozesse oder Produkte zu digitalisieren oder bahnbrechende Technologien zu implementieren. Vielmehr soll das bestehende Geschäftsmodell grundlegend hinterfragt und an die Anforderungen der digitalen Welt angepasst werden. Dabei geht es nicht darum das alte Geschäftsmodell sofort über Bord zu werfen. Es geht darum, zu überlegen, wie mit Hilfe von Digitalisierung der traditionelle Kern des Unternehmens optimiert und ausgebaut werden kann und zweitens, wie neue, digitale Wachstumspotenziale erschlossen werden können.
Für Unternehmen bedeutet das also, dass zwei Geschäftsmodelle (das traditionelle und das neue Geschäftsmodell) über einen längeren Zeitraum parallel geführt werden müssen. Zu Beginn wird das traditionelle Geschäftsmodell meist weiterhin den grössten Teil zum Umsatz und Gewinn beisteuern, und ist somit während der Aufbauphase des neuen Geschäftsmodells für dessen Finanzierung verantwortlich. Deshalb ist es besonders wichtig auf das Zusammenspiel der beiden Geschäftsmodelle bzw. S-Kurven zu achten. Nur wenn tief greifende Konflikte vermieden und Synergieeffekte genutzt werden, kann das volle Potential beider S-Kurven abgeschöpft werden.
3. Was haben erfolgreiche Geschäftsmodellinnovationen gemeinsam?
Bereits die Erkenntnis, dass eine Geschäftsmodellinnovation gebraucht wird, stellt den ersten Schritt zum Erfolg dar. Wichtig ist aber auch, dass anschliessend zeitnah und zielstrebig gehandelt wird. Dazu gehört im ersten Schritt eine sorgfältige Betrachtung des bestehenden Geschäftsmodells, basierend auf einer Analyse des Kunden, des Nutzenversprechens, der Wertschöpfungsmechanismen, und dem Umsatzmechanismus. Bei der Überarbeitung des Geschäftsmodells muss das Rad aber nicht immer neu erfunden werden. So sind etwa 90 Prozent aller Geschäftsmodellinnovationen lediglich neue Kombinationen bereits bestehender Geschäftsmodellfaktoren und keine völlig neuen Geschäftsmodelle. Darüber hinaus sollte bei allen Überlegungen rund um das Geschäftsmodell die Kundenperspektive immer einen zentralen Stellenwert einnehmen, da die Befriedigung von Kundenbedürfnissen oberstes Ziel sein sollte.
4. Sie sprechen oft von “Kultur frisst Strategie”. Was bedeutet das? Ihre 5 Tipps für eine erfolgreiche Umsetzung der Strategie.
In jedem Unternehmen, das Geschäftsmodellinnovationen implementiert, gibt es bereits eine bestehende Unternehmenskultur, welche idealerweise im Einklang mit dem traditionellen Geschäftsmodell steht. Diese bestehende Kultur kann im Transformationsprozess allerdings ein Hindernis für das neue digitale Geschäftsmodell darstellen. Deshalb muss im Zuge einer digitalen Transformation auch immer eine Kulturtransformation stattfinden. Dabei sollten Führungsteams eine zentrale Vorbildfunktion einnehmen. Sie müssen den Mitarbeitenden die neuen Werte und Prinzipien vorleben und authentisch vermitteln können. Zweitens, muss eine gewisse Fehlerkultur etabliert werden. Mitarbeitende sollten lehrreiche Fehler während der Transformation nicht als negativ oder gar als Karrierebremse ansehen müssen, sondern als Chance dazuzulernen und das Geschäftsmodell stetig zu verbessern. Daraus folgt der dritte Tipp: Mitarbeitende müssen befähigt, statt kontrolliert werden. Das bedeutet für Manager, dass sie ein Stück weit Verantwortung und Kontrolle abgeben und in die Hände von fähigen und motivierten Mitarbeitern geben müssen. Viertens sollte neuen Ideen unvoreingenommen begegnet werden. Auch wenn Ideen zu Beginn irrational erscheinen, können sie dennoch eine Quelle der Inspiration und Anstoß für wertstiftenden Innovationen sein. Abschliessend zum letzten Tipp: «Fail early, fail cheap». Ansätze sollten so früh wie möglich getestet werden, denn es lässt sich oft bereits sehr früh erkennen, ob es sich lohnt einen Ansatz weiter zu verfolgen bzw. können so Ideen für die weitere Verbesserung und Überarbeitung gewonnen werden. Dadurch kann leicht vermieden werden, dass viel Zeit und Ressourcen in eine Idee fließen, die sich dann nach der Markteinführung als wenig zufriedenstellend herausstellt.
5. Neue Mitarbeiter, neue Führung, neue Prozesse und Organisationen – wie kann man erkennen, dass man auf dem richtigen Weg ist?
Der Erfolg der digitalen Transformation kann über im Voraus definierte Erfolgsindikatoren (KPIs) gemessen werden. Idealerweise wird dabei ein Mix aus quantitativen und qualitativen KPIs angewendet. Wichtig dabei ist, dass diese KPIs für alle verständlich sind, transparent kommuniziert werden, und von jedem Mitarbeitenden internalisiert sind. Mitarbeitende können zusätzlich, basierend auf diesen KPIs, incentiviert werden, was sich ebenfalls positiv auf die Erreichung der gesetzten Ziele auswirken kann.
6. Ihre wichtigste Botschaft für Unternehmen auf dem Weg ins digitale Zeitalter?
Die Essenz liegt in der Denkweise: Digitale Transformation muss gelebt werden. Alle Mitarbeitenden müssen dabei am gleichen Strang ziehen und dasselbe Ziel verfolgen. Dazu braucht es die richtige Führung, Unternehmenskultur und unterstützende Strukturen und Prozesse. Digitale Transformation ist also immer ganzheitlich zu betrachten und findet nicht nur im kleinen Rahmen statt.
Kurzporträt Prof. Dr. Karolin Frankenberger
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