Kennen Sie die bittere Enttäuschung, wenn sie tief von etwas überzeugt sind und die Realität macht einem einen fetten Strich durch die Rechnung? Ich schon! Karriere und Familie – das läuft bei mir parallel. Davon war ich absolut überzeugt. Nach der Familiengründung wollte ich graduell wieder einsteigen und somit meine Vollzeitstelle in einer Bank als Client Relationship Manager erstmal für ein paar Monate auf ein Teilzeitpensum kürzen. Nein, ich wollte mich nicht nur aufs Muttersein konzentrieren. Und nein, ein schlechtes Gewissen hätte ich auch nicht, weil anscheinend mein Team unter meiner Teilzeittätigkeit leiden musste, wie mich einer meiner Vorgesetzten einst gefragt hatte.

Trotzdem geriet ich beruflich allmählich aufs Abstellgleis, unterschwellig und ohne einen offenen Austausch. Wie konnte es eine derartige Ungerechtigkeit nur geben? Ich war ja nicht krank nur, weil ich Nachwuchs hatte. Mein Hirn funktionierte immer noch hervorragend. So führte das eine zum anderen und ich entschloss mich, meinen Job hinzuschmeissen. Heute frage ich mich, ob ich damals mehr hätte kämpfen müssen.

Bye bye Schweiz

Es eröffnete sich eine spannende Option für unsere Familie. Mein Mann konnte beruflich in Amerika Fuss fassen. So zogen wir mit der ganzen Familie in die USA. Später ging es weiter nach Deutschland und nach insgesamt sieben Jahren Ausland kehrten wir dann in die Schweiz zurück. Ein tolles Abenteuer! Sieben Jahre war ich fast ausschliesslich für meine Familie da, denn ich hatte in den USA kein Arbeitsvisum und in Deutschland fehlte mir erst das Netzwerk. Durch verschiedene spannende Teilzeitpositionen in der Freiwilligenarbeit, durfte ich viele tolle Erfahrungen machen. Dennoch lebte ich das typische Familien-Frauen-Dasein. Das Abenteuer kam langsam zu einem Ende. Wir kehrten in die Schweiz zurück, kauften ein Haus und ich lebte mit meinem tollen Mann und meinen zwei gesunden Kindern glücklich und zu frieden. Naja nicht ganz.

Die Unruhe in mir wurde immer grösser. Ich wollte einfach wieder arbeiten. Dieser Wunsch schien nicht ganz einfach erfüllbar zu sein. Eigentlich seltsam: ich verfüge über ein gutes Netzwerk und ein super Umfeld, das mir den Rücken stärkt. Zugleich hatte ich aber mit einem schlechten Gewissen zu kämpfen. Ich hatte alles und doch war ich unzufrieden. Und zwar immer mehr – je länger ich keine Arbeit fand. So kamen auch noch Schuldgefühle hinzu. Konnte ich denn nicht dankbar sein, für das, was ich hatte? Selbstmitleid olé! Mit jeder Jobabsage ein bisschen mehr.

Dieses Mal wollte ich aber weiterkämpften. Die Zeit im Ausland hat mir gezeigt, dass ich mit meinem Anliegen, arbeiten zu wollen, nicht abnormal war. Dort arbeiten Mütter und niemand klassifiziert berufstätige Frauen mit Kindern als Rabenmütter. Zudem wollte ich ein Vorbild für meine Kinder sein. Es machte mich betroffen, dass meine Tochter und mein Sohn das klassische Rollenbild von Mann und Frau vorgelebt bekamen und so das Gefühl hatten, das sei das einzig richtige Familienmodell.

Back to Business

Mein Ziel: Meine Situation musste sich ändern! Kurzentschlossen meldete ich mich für den Weiterbildungslehrgang «Women Back to Business» an der Universität St.Gallen an. Dort erhielt ich, neben spannendem Fachwissen, ein Coaching. Ich arbeitete an meinem Selbstbewusstsein und lernte, wie ich mich positionieren und wie ich mich selbst besser verkaufen konnte.

Ich schaffte es sogar, an meine frühere Karriere als Bankerin anzuknüpfen und fand eine Anstellung bei einer Privatbank. Später wechselte ich meinen Beruf. Nun bin ich Leiterin der «Women Back to Business» Programme. Ich freue mich, Frauen zu unterstützen, die Wiedereinsteigen oder Umsteigen möchten – genauso wie ich vor sechs Jahren.

Glückliche Kinder

So erreichte ich endlich mein persönliches Ziel. Ich kann mir die Erziehung meiner Kinder mit meinem Mann teilen und ich habe seine volle Unterstützung. Bezüglich Gleichstellung von Mann und Frau glaube ich, gibt’s aber noch viel zu tun. In der Schweiz stehen wir leider noch weit hinten an. Als ich wieder anfing zu arbeiten, musste ich mir zum Teil anhören: «Diese armen Kinder». Wirklich? Nein, ich bin überzeugt, dass mein beruflicher Wiedereinstieg meinen Kindern eine neue Perspektive gibt und ihr Selbstbewusstsein sowie ihr Selbstvertrauen gestärkt wird. Meine Kids werden auf eine gute Art sozialisiert und nicht von Rollenbildern voreingenommen sein.

Mit unserem System in der Schweiz hat es mein Familienmodell allerdings schwer. Wiedereinsteigerinnen werden heute bestraft. Wenn eine Mutter 14 Wochen nach der Niederkunft nicht mit ihrem bisherigen Arbeitspensum einsteigen will, hat sie keinen Anspruch mehr auf den Job. Oder wenn man als Rabenmutter gesehen wird, nur weil man berufstätig ist? Ist das denn fair? Nein und heute weiss ich, es lohnt sich zu kämpfen!

Kurzporträt Patricia Widmer

Über die Autorin / den Autor

o2AHBToffD

Executive School of Management, Technology and Law

Relevante Weiterbildung

Newsletter

Die neusten Beiträge direkt ins Postfach.

Newsletter [DE]

Beitrag teilen

Weitere Beiträge

  • Future of Work und die Rolle von Diversity, Equity & Inclusion

  • Leadership im Umbruch: Fünf Trends einer modernen Führung

  • Ist die Zukunft der Arbeit auch für den Rechtsmarkt relevant?

  • Warum inklusive Führung für alle Generationen wichtig ist

  • Brauchen junge Jurist:innen auch Leadership? Einteilung nach Generationen – etwas willkürlich, aber nützlich