In meinem letzten Beitrag zum Thema «Digital Native» spornte ich junge Juristen an, sich für Information Technology zu interessieren, sich etwas zu trauen und sich diesbezüglich weiterzubilden. Doch grosse Töne spucken kann jeder. Deshalb habe ich mir meinen eigenen Ratschlag zu Herzen genommen und mich zu einem Programmier-Kurs für Einsteiger angemeldet. Mein Ziel war es, mir Basiswissen über Coding, Programmiersprachen und die dazu benötigte Software anzueignen. Was folgt, ist ein kurzer Erfahrungsbericht.

Etwas nervös und unwissend, was mich gleich erwartet, sass ich dann eines Mittwochabends vor dem mir zugewiesenen Computer im Schulzimmer. Nach und nach liessen sich auch anderen Schüler hinter ihren Bildschirmen nieder und starrten tippend in ihr Handy. Auch der Brille tragende Lehrer schwieg und starrte in seinen Computer. Er verkörperte einige in meinem Unterbewusstsein verankerte Klischees über Informatiker, was mich innerlich schmunzeln liess. Glücklicherweise platze kurz vor Unterrichtsbeginn eine weitere Frau in den Raum und brach das Eis, indem sie lauthals fragte, ob denn der Platz neben mir noch frei sei. Nun konnten wir beginnen, alles gelassener zu nehmen.

Um punkt 18 Uhr begrüsste uns der Lehrer in seinem sympathischen österreichischen Dialekt und erläuterte, wie er zu seinem Beruf und zum Programmieren kam. Ausserdem händigte er uns zwar ein Skript aus, meinte jedoch dazu, dass wir es nicht befolgen würden, da die darin enthaltenen theoretischen Abhandlungen kaum praxisorientiert seien. Wir sollten das alles – damit meinte er das Programmieren – am besten gleich selber ausprobieren – learning by doing. Und schon ging es los.

Hansjörg – so hiess unser Lehrer – sass wieder an seinem Computer, tippte flink auf die Tasten und kommentierte seine Anweisungen. Der hatte ja Nerven! Auch alle anderen waren etwas überfordert und versuchten irgendwie schrittzuhalten.

Im Excel lernten wir als allererstes, eine Message-Box («msgbox») zu programmieren. Das klingt schwieriger als es ist, denn wir gaben dem Programm lediglich die Anweisung, ein neues kleines Fester zu öffnen und den Text «Hallo» darauf abzubilden. Mit dem «OK» Knopf konnte man das Fenster dann wieder schliessen. Obwohl das nicht allzu herausfordernd war, waren wir fasziniert, und angetrieben durch den geweckten Spieltrieb öffneten wir mehrere Fenster mit unterschiedlichen Texten.

Die Sprache, in welcher wir dem Excel nun die Anweisungen gaben, hiess VBA, erklärte Hansjörg beiläufig, und er begann mit einer kleinen Theorielektion. Die Programmiersprache dient der Kommunikation zwischen Mensch und Maschine. Es gibt hunderte verschiedene Programmiersprachen, welche sich darin unterscheiden, wie nahe sie am Maschinencode (0 und 1) sind. Die Sprache am nächsten bei der Maschinensprache heisst Assembler und ist damit auch die schwierigste Programmiersprache. Darauf folgen verschiedene mehr oder weniger bekannte Sprachen wie C, C+, C#, Java, JavaScript, VBA etc. Der Computer kennt aber dennoch nur die Werte 0 und 1, weshalb wir für jede Sprache ein Schreibprogramm benötigen, das den von uns geschriebenen Quellcode für die Maschine wiederum in 0 und 1 (Maschinencode) umwandelt.

Nach einigen weiteren Ausführungen darüber, welche Sprache sich für welche Aktivität eignet – bspw. eignet sich Java für das Programmieren einer Website – setzte sich Hansjörg wieder an seinen Computer. Nun ging es darum, ein Gefühl für die Sprache zu entwickeln. Wie bei jeder fremden Sprache muss man sich zunächst ein Vokabular und etwas Grammatik aneignen, um einen Satz – oder in unserem Fall eine Anweisung – formulieren zu können.

Neben Zahlen- bzw. Wertebereichen, Datentypen oder Operatoren lernten wir auch konkrete Anweisungen kennen, wie bspw. die oben genannte Message-Box. Oftmals haben wir auch Variablen vor der Anweisung definiert, welche dann in der Anweisung verwendet wurden. Dies führt dazu, dass Texte kürzer und kompakter werden. Ausserdem ist es sehr wichtig, dass sich keine Schreibfehler einschleichen, und besonders dieser Punkt bereitete uns grosse Mühe! Abgesehen davon, dass wir die Sprache nur teilweise verstanden und die Wörter und Wortabfolgen wenig Sinn ergaben, hatten auch Satzzeichen eine enorme Bedeutung. Ein Komma, Strichpunkt oder Anführungszeichen zu wenig, und die Quittung wurde von der Maschine umgehend präsentiert: ERROR.

Mit der Zeit begannen wir aber, die Fehler selber zu erkennen, ohne dass Hansjörg sich jeden unserer einzelnen Bildschirme einzeln vornehmen musste. Es half auch, dass unser Schreibprogramm eine Art Rechtschreibprüfung hatte und man die Stellen, mit denen das Programm nicht einverstanden war, nochmals kontrollieren konnte. Die Maschine kontrollierte im Ergebnis also den Anweiser, dass er der Maschine auch richtige Anweisungen gibt!

Der Kurs war am Anfang nicht ganz einfach und auch etwas frustrierend. Aber je länger wir uns damit beschäftigten, desto mehr Freude kam auf. Insbesondere, als es darum ging, Entscheidungen zu programmieren. Es ging darum, eine Abhängigkeit zwischen dem Wetter und unserer bevorzugten Freizeitaktivität zu kreieren. War das Wetter schlecht, entschied sich das Programm dazu, zu Hause zu bleiben. War das Wetter hingegen gut, entschied sich das Programm dazu, wandern zu gehen. Je nachdem, welche Wetterbedingungen wir dem Programm als Input gaben, kam etwas anderes raus.

Diese if / then / else / and / or / not Entscheidungen konnten wir beliebig ausdehnen und auch alternative Aktivitäten empfehlen. So programmierten wir bspw. «if (Alkoholpegel < Grenzwert) = Sie dürfen Autofahren; else = Sie müssen ein Taxi rufen».

Diese Beispiele scheinen simpel. Doch weil wir sie selber programmiert haben, die Anweisung vom Input zum Output führte und es auch richtig funktionierte, hatten wir alle einen riesen Spass. Und obwohl ich nun immer noch kein App oder Ähnliches selber programmieren kann, verstehe ich jetzt zumindest die Grundprinzipien der Sprachen VBA und JavaScript. Ausserdem habe ich die Berührungsangst verloren, obwohl ich natürlich erst ganz am Anfang stehe und noch viele Vokabeln lernen muss.

Abschliessend komme ich zum Ergebnis, dass ich diesen Kurs jederzeit wieder besuchen würde und jedem dasselbe empfehlen kann. Man lernt in gewisser Weise, was «hinter der Bühne» passiert und wie der Computer, den man jeden Tag ausgiebig nutzt, im Grundsatz funktioniert. Selbstverständlich werde ich nie zur professionellen Programmiererin mutieren, aber erstaunlicherweise macht es mir Spass, etwas so ganz Anderes zu erlernen. Ich bin weiterhin nicht der Ansicht, dass Juristen programmieren können müssen, aber ein Grundverständnis wird vorausgesetzt. In der Zwischenzeit habe ich ausserdem einen einwöchigen Machine-Learning-Kurs an der Universität St. Gallen besucht, in welchem wir von Spamfiltern bis zu Erkennungssystemen für giftige Pilze selber Modelle programmiert haben. Dazu aber mehr in meinem nächsten Beitrag – «I’ll keep you posted!»

Über die Autorin / den Autor

o2AHBToffD

Executive School of Management, Technology and Law

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