Dr. Hubertus Porschen ist Digitalexperte, gefragter Keynote Speaker und Referent des Schranner Negotiation Institute. Wir haben mit ihm über die grössten Hürden und Chancen des online Verhandelns gesprochen.

Was sind die Knackpunkte von Online-Verhandlungen?

Es existieren meiner Meinung nach drei Knackpunkte:

1. Prozess vor Inhalten: Die meisten unterschätzen die Führung des Prozesses. Sie bereiten sich inhaltlich, aber nicht strategisch vor. Auch eine Online-Verhandlung muss professionell vorbereitet werden und dabei ist der Prozess entscheidend. Wer sagt wann was? Erstelle ich eine Agenda vorab und sende diese? Wie ist mein Team aufgestellt? Was ist überhaupt das Ziel? Welche Taktiken möchte ich anwenden? Das sind alles Fragen, die vor Online-Verhandlungen dringend zu klären sind.

2. Fehlen des persönlichen Kontakts: Online spielen Körpersprache, Empathie und deren Beobachtung fast keine Rolle. Das führt häufig dazu, dass Verhandlungen schneller abgebrochen werden. Bei einer physischen Verhandlung hätte man womöglich anstatt eines Abbruchs eine kurze Pause eingelegt und zusammen einen Kaffee getrunken. Der informelle Austausch fällt also online eher weg.

3. Der optimale Verhandlungsführer: Lassen Sie nie die Person die Verhandlung führen, die die beste persönliche Beziehung zur Gegenseite hat. Je besser die Beziehung, desto schlechter sind in der Regel die Verhandlungsergebnisse. Dieser Knackpunkt gilt übrigens auch eins zu eins für offline Verhandlungen.

Wie unterscheiden sich online Verhandlungen von konventionellen?

In konventionellen Verhandlungen hat sich ein allgemeingültiges «Regelwerk» etabliert. Das gilt es nun in Frage zu stellen. Beispielsweise werden auf einmal die informellen Gespräche nicht mehr ausschliesslich während der Treffen geführt, sondern über Social-Media. Wie reagiere ich, wenn ich über Facebook angeschrieben werde? Sollte ich den Änderungsvorschlag zur Agenda, der mir über WhatsApp gesendet wird, akzeptieren? Das sind alles Fragen, die sich vor fünf Jahren noch nicht gestellt haben. Nun gehören diese zum Procedere und eine entsprechende Reaktion darauf muss vorher im Team besprochen werden.

Werden Online-Verhandlungen zum Standard?

Aus meiner Sicht gewinnen sie an Bedeutung. Wichtige Verhandlungen werden im Moment weiterhin persönlich geführt. Aber ganz klar ist, dass sich die Bedürfnisse der Menschen nicht erst in der Corona-Krise geändert haben. Die Digitalisierung ist als Trend nicht mehr wegzudenken und ich glaube, dass wir zukünftig viel mehr in virtuellen Räumen verhandeln werden. Schon heute haben wir bei online Konferenzen die Möglichkeit, gemeinsam mit dem Team (oder anderen) zu sprechen oder bei Bedarf aber auch ein Einzelgespräch zu führen.

Sind online Verhandlungen erlernbar? Wie werde ich zum Verhandlungsprofi?

Verhandlungen sind online wie offline zu erlernen. Aus meiner Sicht gilt es, wie in jeder anderen Disziplin, Know-How und Fähigkeiten strukturiert aufzubauen. Hier eignet sich die Lektüre von Kommunikationsklassikern wie „How to win friends“ oder „Das Schranner-Konzept“ als Standardwerk für Verhandlungen. Allerdings ist die Theorie nur die Basis. Mein Tipp: Das aufgebaute Wissen auch in Alltagssituationen anwenden und bewusst verhandeln. Wie wollen Sie grosse, wichtige geschäftliche Verhandlungen gewinnen, wenn Sie sich noch nicht einmal trauen Ihren Hemdenkauf zu verhandeln?

Über die Autorin / den Autor

o2AHBToffD

Executive School of Management, Technology and Law

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